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Hockeytrainer Detlev Kittstein

Hockeytrainer Detlev Kittstein


Hockey Trainerlegende in Höchst erzählt

Resümee aus Monaten Hockey in Höchst oder wie einer auszog, das Hockeyspielen zu lehren.

Man ist Mitte dreißig, hat 25 Jahre lang recht erfolgreich Hockey gespielt, hat von Kopf bis Fuß genügend Makken durch diesen herrlichen Sport abbekommen, ist darüber hinaus noch Sportlehrer . . . was sucht sich solch ein Individuum, wenn es in die Jahre kommt? Einen neuen Club, um dort als Trainer zu fungieren. So kam es, dass ich, Detlef Kittstein, den Posten des Trainers beim Höchster THC übernahm.

Charakteristik des 1. Herren Kaders von Höchst: Eine altersmäßig homogene Truppe, der Höchster Hockey­ Scholle eng verbunden, kraftstrotzend, dynamisch, bundesligaerprobt, ehrgeizig, intellektuell – Trainerherz was willst du mehr? Die väterliche Führung durch die Abteilungsleitung und das familiäre Nebeneinander der Sportgruppen, überschaubar für jeden Funktionsträger, sind weitere Voraussetzungen für ein gedeihliches Zusammenarbeiten in der rauhen Hockeyluft.

Also, Detlefchen, sagte ich mir: Dann mal los, das muss ja einfach klappen! Mitte August 1978 begannen Training und Vorbereitungsspiele und mein Hockeyhorizont erweiterte sich, als stände ich unter Drogen.

Natürlich fehlten zu dieser Zeit noch einige Spieler, die ihren Urlaubsverpflichtungen nachkommen mussten. Man ist ja schließlich Amateur und kein Fußballprofi, dessen Spielterminkalender über allem steht. Man sollte dabei die soziale Komponente nicht vergessen und das gegenseitige Vertrauen . . . die anderen sollen ja auch mal spielen und die werden das schon hinkriegen. Aber wenn ich zurückkomme, zählt bestimmt wieder die Routine.

Urlauber, die von ihrer Ostafrika Safari zurückkamen, hatten keine Startschwierigkeiten, denn der Hockeyrasen ähnelte oft einer Savanne. Das ist aber nicht tragisch, denn der Gegner muss ja auch darauf spielen, und Chancengleichheit im Minderheitensport Hockey Muss schließlich gewahrt bleiben.

So kämpften sich Mannschaft und Trainer von Trainingstag zu Trainingstag, immer ein Ziel vor Augen: Beginn der Bundesliga!

Um die Harmonie der Mannschaft zu fordern, sollte ein Trainer, wie auch die Mannschaft, Monotonie im Training vermeiden.  Das gelang perfekt. Was ist stumpfsinniger, als immer mit dem kompletten Kader zu trainieren?

Erst eine sich stets ändernde Anzahl von Trainingswilligen bringt Abwechslung und Überraschungen, nur so kann man improvisieren und man wird stets aufs Neue gefordert. Als endlich einmal alle eingeladenen Spieler pünktlich zusammenkamen – es war eine Stunde vor Spielbeginn des ersten Bundesligaspiels beim RK Rüsselsheim – fehlte der Trainer. Er hatte sich nicht in der Anfangszeit um eine halbe Stunde geirrt, oh nein! – er wollte der Mannschaft nur mal beweisen, wie unentbehrlich er vor dem Spiel ist. Dieser raffinierte Schachzug gelang. Die Mannschaft wollte diesem stets besserwissenden Hockeyinvaliden da draußen mal zeigen “wo Bartel den Most holt “ und überrannte furios den RKR. Die Freude war riesig, die Presse lobte die Höchster Hockeyhochburg! Wen störten diese Lappalien, dass jetzt einer „gen Italien“ zog, um sich beruflich weiterzubilden und einer noch immer in Urlaub war. Es wurde weiter hart trainiert (s. o.) und weiter gesiegt (es muss ja nicht immer sein). Dass keiner der Beteiligten Eintönigkeit aufkommen ließ, zeigte das Spiel gegen Frankenthal. Nur mit unerschütterlicher Solidarität ist die nachfolgende Entwicklung zu erklären.

Wird einem Spieler im Spiel der Daumen zertrümmert, dann zieht sich ein Mitspieler eine wenigstens ebenbürtige Verletzung zu. Meniski krachen, auch wenn man erst tags zuvor aus dem wohlverdienten Urlaub kam. Denn wer möchte schon seinen Kameraden, von Schmerzen geplagt, alleine draußen stehen lassen. Die holde Zweisamkeit ist nun einmal erstrebenswert. Dass sich dann noch ein Dritter mehrere Muskelfaserrisse zuzog, fand ich als Trainer etwas übertrieben. Aber zum Skat gehören nun mal drei . . . und die Jugend soll ihre Chance bekommen.

Unser Erfolgskonzept wäre unvollkommen, würde ich mich bei meinen Ausführungen auf die praktische Arbeit beschränken. Die Theorie ist das Salz in der Suppe. Die taktischen Besprechungen mit den anschließenden erschöpfenden Diskussionen sind von nicht zu überschätzendem Wert. Hier kann sich jeder verbal austoben, sich von inneren Zwangen befreien, selbst für Probleme aus dem Sexualbereich findet jeder ein offenes Ohr. An Karls Bar werden dann die letzten Klarheiten beseitigt . . . aber jeder hat eigentlich irgendwie Recht. Nur die vom Trainer letztlich durchgesetzte Aufstellung ist bestimmt die dämlichste. Aber was soll’s. Der hat die Verantwortung – soll ER damit fertig werden.

Da man mit diesem Rezept einen achtbaren Platz in der Feldbundesliga erreichte, wäre es doch gerade schwachsinnig, diese Methode in der Hallenoberliga nicht anzuwenden.

lch hatte mir mit der Mannschaft in der Halle besonders viel vorgenommen, da ich sie zuvor nie habe Hallenhockey spielen sehen und ein (Ex-) 80er im Hallenhockey sowie­ so die Ultima Ratio ist. lch kannte ja meine Mannschaft jetzt aus dem EFF EFF, brach­ kannte die Vornamen und die Wagners nicht mehr durcheinander und wusste jetzt auch, wie der 1. Vorsitzende des Gesamtclubs heißt.

Einige etablierte Spieler scheinen eine prophetische Gabe zu besitzen, denn sie wünschten in der 1b. zu spielen, also nicht in der 1. Herrenmannschaft.  Unverständlich, der Rest war guter Dinge, hatte man doch die erfolgversprechenden Grundvoraussetzungen wieder geschaffen.

Einige Herren tankten im Urlaub neue Kräfte, um kurzfristig anderen die Plätze zu Oberlassen. Eigenwillige Trainingsbeteiligung ermöglichte Improvisationen. Die Kranken schonten sich manchmal, kurz, man konnte stets mit anderen Leuten trainieren und dauernd andere Aufstellungen probieren; was will ein Trainer mehr?!?

Beim Freundschaftsturnier in Karlsruhe kamen dem Trainer unverständlicherweise einige Zweifel. Quatsch, der Badische Wein und jeder hat schließlich mal einen schlechten Tag. Also weiter im Trainingstext: Platzwechsel, Dreier- und Viererkombinationen, Spielzüge und 34 Eckvarianten.

Niederlagen gegen München und Bad Dürkheim konnten unseren unerschütterlichen Glauben an uns selbst nichts anhaben. Spieler und Trainer machten keine Fehler – das Fatum spielte nicht mit. Die abgelaufene Hallensaison zeigte, dass die Mehrzahl der Spieler mit der Masse der Bevölkerung in einer Sache einig war, Hockey durch Ecken zu entscheiden ist blöd und auch ziemlich primitiv. Auch kam unterschwellig in Mannheim zu Tage, dass ein Kindheitswunsch eines Spielers, nämlich Spieler der Harlem Globetrotters zu werden, nicht in Erfüllung ging, weil das Längenwachstum plötzlich stoppte. Nur so kann ich mir als geschulter Psychologe erklären, warum einer bei Ecken immer wieder den Basketballkorb anvisierte. Nach Aussagen von Frau Prof. Dr. Chr. Krause soll das Trauma beseitigt sein.

Nach zwei Siegen gegen El Heidelberg und WTHC wurde analysiert, diskutiert und die Mannschaft wieder zwangsläufig umgestellt. Nach der Niederlage gegen 80 (bei dieser Chose verlor der Club zwei Punkte, der Trainer DM 100,-), zeigt sich jetzt mit elementarer Gewalt, dass ich eine Mannschaft mündiger Bürger trainierte. Man soll ja auch nichts kritiklos blindlinks annehmen, schließlich hat die Geschichte gezeigt, wo das hinführen kann. Auch die Freizügigkeit wurde in Beschlag genommen. Jeder kann in der Mannschaft seiner Wahl spielen. Aber natürlich!!! Fehlpässe und Fehlleistungen wurden im Spiel brandaktuell debattiert. Wenn die Gegner zu diesem Zeitpunkt Tore schossen, so zeigten sie nur, dass sie schlechte Demokraten sind – denn das Recht der freien Meinungsäußerung geht vor. Diese konsequente Arbeit muss ja zum Erfolg führen und endlich, ja endlich war es geschafft. Wir waren im Abstiegsstrudel. Erst jetzt wurde es für Spieler, Trainer und Betreuer interessant. Endlich Spiele mit Nervenkitzel, endlich die gewohnte Atmosphäre.

Nachdem in der zweiten Halbzeit gegen Ulm kleine Schwächen und Missverständnisse auftraten, der Trainer wegen einer Halsentzündung die Diskussionen im Spiel und auf der Bank nicht mehr durchstand, traf man sich zu einer Krisensitzung.

Die Mannschaft zerfleischte sich geradezu in fast masochistischer Einzelkritik. Aber erst eine Grundsatzdiskussion über Krankheit schlechthin brachte, trotz ideologischer Gegensätze, den mühevollen, allseits erstrebten Durchbruch.

In Ludwigsburg wurde im besten Spiel der Saison mit einem 5:5 endlich ein sicherer Tabellenplatz erkämpft. lch muss zu meiner Schande gestehen, dass ich als Trainer darauf keinen Einfluss hatte. Dummerweise hatte ich gebeten, vom Besuch des Samstags-Faschingsfestes abzusehen. Glücklicherweise hielt sich kaum einer an diesen Wahnsinnsvorschlag. Glasigen Blickes, mit übersäuertem Magen wurde ein wirklich gutes Spiel hingelegt. Man war offensichtlich so angeknackt, dass man die Luft zum Spielen brauchte, denn keiner stellte seine Eloquenz richtig unter Beweis. Man spielte direkt spießbürgerlich diszipliniert. Entsetzlich – aber in der Not springt man über seinen eigenen Schatten. Diese Erkenntnis darf bei den nächsten Planungen auf keinen Fall unter den Tisch fallen.

Denn, warum soll man es sich leichtmachen, wenn doch alle so viel Spaß daran haben, es sich so schwer wie nur möglich zu machen.

Mit diesem Schlachtplan kann in der Feld-Ruckrunde eigentlich gar nichts schieflaufen.

Eigentlich bin ich kein Mensch, der Probleme schafft, nur um eine normale Situation wiederherzustellen. Aber ich bin völlig davon überzeugt worden, dass nur diese Dialektik Fortschritt bringt (hoffentlich liest das nicht mein oberster Dienstherr).